17. Josef Felders Beurteilung der Weimarer Verfassung
Josef
Felder bezeichnete die Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 als modern und
fortschrittlich, kritisierte aber schon sehr früh, dass diese keinerlei
Sicherungen gegenüber antidemokratischen Parteien und Entwicklungen - im
Gegensatz zum heutigen Grundgesetz der Bundesrepublik - eingebaut habe.
Nach
Ansicht Felders hätte sich nach der Kapp-Revolte die Chance geboten, die
Verfassung diesbezüglich zu ergänzen oder solche Veränderungen sogar außerparlamentarisch
zu erzwingen. Damit übte Felder auch Kritik an den damals von den
Sozialdemokraten geführten Kabinetten.
Als
besonders verhängnisvoll sah Josef Felder den Artikel 48 der Verfassung. Obwohl
vorgesehen, war der Artikel 48 nie durch ein Vollzugsgesetz eingeschränkt
worden und verlieh damit der Regierung und dem Reichspräsidenten potentiell zu
viele Rechte. Die Verfassungsväter glaubten aber, mit dem Recht des
Parlamentes, die Notverordnungen mit einfacher Stimmenmehrheit ablehnen zu können,
genügend Sicherheiten gegen einen Missbrauch eingebaut zu haben.
Der Artikel
48 diente nicht nur zur Durchsetzung hochpolitischer Entscheidungen der
Regierung, sondern auch zur Durchsetzung währungspolitischer, steuerrechtlicher
und sozialpolitischer Gesetze, was Josef Felder positiv beurteilte.
Nach dem
Ende der Großen Koalition und fehlenden parlamentarischen Mehrheiten infolge
der mangelnden Kompromissfähigkeit der Parteien vollzog sich ein Wandel des
parlamentarischen Systems hin zum Präsidialsystem. Gemäß den Vorstellungen des
Kreises um Hindenburg sollte die fehlende parlamentarische Legitimation bei der
Gesetzgebung durch den Einsatz des Artikels 48 der Reichsverfassung
ausgeglichen werden. Die Notverordnungspraxis wurde damit zur gängigen Praxis.
Als die
Septemberwahlen 1930 ein drastisches Ansteigen der radikalen Parteien
indizierten, verzichtete von nun an die SPD auf die Ablehnung der
Notverordnungen Brünings und ging zur Stimmenthaltung über.
Die
Juliwahlen von 1932 unter von Papen ergaben schließlich eine "negative
Mehrheit" der antidemokratischen Parteien von NSDAP und KPD, die künftig
alle Notverordnungen des Reichspräsidenten ablehnen konnten. Von Papen sah sich
daher genötigt, den Reichstag schon dann aufzulösen, "wenn die Gefahr der
Ablehnung" der Notverordnungen bestand. Damit war die Intention des
Artikels 48 gänzlich ausgehöhlt worden. Die unselige Verbindung von Artikel 48
mit dem Artikel 25 (Reichstagsauflösung) und Artikel 53 (Ernennung und
Entlassung des Reichskanzlers) führten zur Präsidialdiktatur und bereitete
verfassungsrechtlich den Boden für Hitlers Diktatur.
Weitere
Kritikpunkte Josef Felder an der Weimarer Reichsverfassung waren, dass die
Parteien im Gegensatz zu heute nicht in der Verfassung verankert und auch nicht
auf die Einhaltung der Verfassung festgelegt gewesen seien. Die
antidemokratischen Parteien hätten das Parlament als Tummelplatz und Forum für
ihre Ziele nutzen können, ohne dass ihnen Einhalt geboten worden wäre.
Des
Weiteren kritisierte Josef Felder, dass man im Wahlgesetz keine Sperrklausel
geschaffen habe und deshalb bis zu 32 Parteien im Reichstag saßen.
Verhängnisvoll hatte sich insbesondere die Einführung des Verhältniswahlrechtes
ausgewirkt. Aufgrund der Benachteiligung der SPD im Kaiserreich hatte sich
ausgerechnet die SPD für dieses stark gemacht. De facto führte das
Verhältniswahlrecht zur Entwicklung von Interessensparteien, was die
Kompromissfähigkeit der parlamentarischen Parteien extrem erschwerte und zur
Immobilität der Kabinette führte.
Literatur:
Josef Felder, Warum ich Nein sagte, Reinbek 2002
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