15. Josef Felder im Reichstag 1932/33

Neuwahlen am 6. November 1932

Da die nach der Demission Heinrich Brünings gebildete Regierung unter Franz von Papen schon im September durch ein Misstrauensvotum gestürzt worden war, wurden für den 6. November 1932 Neuwahlen angesetzt. Josef Felder sollte auf Grund seiner intensiven politischen Tätigkeit trotz seines jungen Alters den Abgeordneten Georg Simon auf der Landesliste ablösen, was beim Landesvorsitzenden Erhard Auer allerdings zunächst auf Widerstand stieß. Nach der offiziellen Verabschiedung der Liste wurde Josef Felder jedoch auch von Erhard Auer als Kandidat akzeptiert.

Themen des Wahlkampfes

Im Wahlkampf versuchte Josef Felder auf die Gefahren, die aus dem nationalsozialistischen Parteiprogramm ersichtlich waren, aufmerksam zu machen. Er legte die Betonung dabei auf die außenpolitischen Absichten Adolf Hitlers, wie sie in „Mein Kampf“ zu finden waren. Allerdings fand er dafür teilweise nicht einmal in seiner eigenen Partei Zustimmung, da viele der SPD-Mitglieder wie auch große Teile des Bürgertums der Meinung waren, Adolf Hitler würde sich in einer Koalitionsregierung bald „abnützen“.

Bei Wahlveranstaltungen mussten die Redner der SPD, u.a. Wilhelm Hoegner, Kurt Schumacher sowie Josef Felder vom „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ häufig vor Übergriffen aus den Reihen der nationalsozialistischen Anhänger beschützt werden. Außerdem sahen sich die Sozialdemokraten, wie auch die Kommunisten willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt.

Immerhin verloren die Nationalsozialisten bei der Wahl im November 1932, 34 ihrer bisherigen 230 Mandate, denn es zeichnete sich eine leichte Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ab.

Kurt von Schleicher neuer Reichskanzler - Tumulte im Reichstag

Schließlich wurde Reichswehrminister Kurt von Schleicher am 1. Dezember zum Reichskanzler ernannt, woraufhin der Reichstag dreitägige Beratungen aufnahm. Als Folge des Antrags der Nationalsozialisten, den amtierenden Reichsgerichtspräsidenten zum ständigen Stellvertreter des Reichspräsidenten zu ernennen, kam es im Reichstag zu Tumulten zwischen Mitgliedern der NSDAP und KPD.

Nach Wiederaufnahme der Sitzung verhinderte die SPD einen Misstrauensantrag der KPD , da die Fraktionsmitglieder die Hoffnung hatten, der Reichstag könne nach der Regierungserklärung Kurt von Schleichers nochmals aufgelöst und somit die Macht der Nationalsozialisten geschwächt werden. Außerdem wurde von Nationalsozialisten, Sozialdemokraten und Kommunisten im gegenseitigen Einvernehmen eine politische Amnestie verabschiedet, welche die Freilassung politischer Gefangener und den Erlass etwaiger Gerichtsschulden garantierte.

Josef Felder wird Vorsitzender der Augsburger SPD

In einer Rede am 19, Dezember 1932 verdeutlichte Josef Felder im Augsburger Volkshaus nochmals seine Einschätzung der derzeitigen politischen Lage und wies daraufhin, dass die SPD alles tun werde, um die „verfassungsmäßigen Rechte des Volkes zu wahren“.

Am 27. Dezember wurde Josef Felder einstimmig zum Vorsitzenden der Augsburger SPD gewählt und trat somit die Nachfolge Georg Simons an.

Verteidigungsstrategie der SPD in Augsburg

Einen Tag vor der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler tagte der Vorstand der SPD-Reichstagsfraktion sowie der Gewerkschaften. Nach der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933 beschäftigte sich Josef Felder mit der Ausarbeitung eines Verteidigungsplans für die Parteidruckerei und des Volkshauses in Augsburg, sollten die Nationalsozialisten versuchen, die Macht auch in Augsburg zu übernehmen.

Letzte "freie Wahlen" am 5. März 1933

Nach der erneuten Auflösung des Reichstags am 1. Februar 1933 begann ein von der Hoffnung auf Widerstand inspirierter Wahlkampf der SPD, unterstützt durch die freien Gewerkschaften, das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und die Eiserne Front. In manchen Kreisen war man der Ansicht, die SPD verhalte sich zu zurückhaltend. Forderungen nach einem Generalstreik wurden laut. Die Kassen der Gewerkschaften waren wegen der Weltwirtschaftskrise und massenhafter Austritte leer. Zudem bestand Angst vor einem Bürgerkrieg. Die Gewerkschaftsführer verstanden den Streik als ultima ratio und wollten die Kräfte der Arbeiter nicht zu früh vergeuden.

Der Gleichschaltungsprozess in Augsburg

Die Lage der SPD verschärfte sich nach dem 28. Februar drastisch, als Adolf Hitler mit der Reichstagsbrandverordnung“ die Bewegungsfreiheit der Parteien und die Grundrechte drastisch einschränkte. Mit Hilfe von SA- und SS-Einheiten gelang es den Nazis am 6. März, die Regierungen in Bremen und Lübeck zum Rücktritt zu zwingen. An 7. März trat die hessische Regierung zurück, am 8. März die badische, württembergische und die sächsische Regierung. Am 9. März übernahmen die Nationalsozialisten auch in Bayern die Macht, was Josef Felder in Augsburg miterlebte.

Nach einem Anruf von Erhard Auer , der glaubte, die Polizei werde den Naziumtrieben ein schnelles Ende bereiten, setzte Josef Felder die Parteidruckerei in Alarmbereitschaft. Die Parteimitglieder erwarteten von Josef Felder, dass er den Nazis einen Kampf liefere. Der wiederum erwartete Richtlinien von Berlin und München, die aber ausblieben. Daher entschloss sich Josef Felder als Parteivorsitzender, abzuwarten. Ein dezentralisierter Streik und Kampfmassnahmen erschienen ihm angesichts der in Aussicht gestellten Strafmassnahmen gemäß der Notverordnung vom 28. Februar für wenig aussichtsreich. Immerhin kam es am Nachmittag des 9. März zu einer Demonstration durch die Stadt.

Die Übernahme der Staatsgewalt vollzog sich in Augsburg am Nachmittag des 9. März nach der Einsetzung des Reichskommissar Franz Ritter von Epp, gleichzeitig erfolgte ein Ultimatum an die Regierung des Ministerpräsidenten Held (BVP). Da die Landespolizei bereits nicht mehr vollständig auf der Seite der Demokraten stand, hielt Innenminister Stützel einen Schießbefehl für die Polizei nicht für sinnvoll.

Die Schwäbische Volkszeitung erschien noch am Morgen des 9. März, am 14. März wurde sie unter Berufung auf die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 endgültig verboten. Chefredakteur Simon wurde zuerst verhaftet und in den Katzenstadel eingeliefert.

Josef Felder auf der Flucht vor der SA

Damit war das Leben der Demokraten nicht mehr sicher. In Augsburg versuchte eine SA-Abteilung Josef Felder zu fassen. Bestens abgeschirmt durch die Genossen und dank eines ständigen Quartierwechsels gelang es Josef Felder, sich der Verhaftung zu entziehen. Reichsbannerkameraden hielten seine Frau auf dem Laufenden. So erhielt er schließlich auf geheimen Weg die Fahrkarte zum Reichstag zugestellt. Am 23. März sollte die Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz erfolgen.

Clemens Högg bewegte schließlich Josef Felder dazu, sein Versteck in Augsburg bei aufzugeben und sich nach Marktoberdorf in Clemens Höggs ehemaliges Urlaubsquartier bei einem Bauern zu begeben. Gegen Josef Felder waren seitens der Nazis wüsteste Drohungen ausgesprochen worden, sodass das Schlimmste zu erwarten war.

Die Gestapo sucht Felder

Die Gestapo durchsuchte infolgedessen täglich die Wohnung der Felders in der Hindenburgstraße, seine Familie sah sich schlimmen Bedrohungen ausgesetzt, Telephonterror war an der Tagesordnung.

Im KZ Dachau erfuhr Josef Felder später von einem inhaftierten SA-Mann, dass man geplant hatte, ihn zu Tode zu foltern, wenn man ihn nur gefasst hätte.
Am 18. März erschien im Augsburger Lokal-Anzeiger der folgende Artikel unter der Überschrift: „Ich bin nicht der Felder“:

„....aber wenn heute jemand in Augsburg ausgerechnet dem Felder gleichsieht, so ist das wirklich ein unfreundlicher Akt des Schicksals. Vor ein paar Jahren konnte man sich es noch ruhigen Gewissens leisten, dem Felder gleichzusehen. Aber heute, ich bitte Sie, heute ist es ein bodenloser Leichtsinn, dem Felder gleichzusehen. Wir möchten dringend abraten. Nichts ist unrentabler. Wir führen zum Beispiel einen Augsburger Herren an, der sich Ari nennt, und bei den Augsburger Schriftstellern und Künstlern bekannt ist. Ari sieht von der Hornbrille bis zu den Schnabelschuhen dem Felder ähnlich; auch die Größe stimmt. Ari geht harmlos und vergnügt sich auf der Straße und nichts zu suchen, das ist sein Sinn. Da plötzlich legt sich eine Hand eines baumlangen SS-Mannes auf seine Schultern, dass er fast in die Knie sinkt: ’Sie sind verhaftet, Herr Felder!’ Ari begehrt auf, er wettert, er protestiert, Aber letztlich geht er doch mit; die geistigen Waffen unterliegen der Handschuhnummer. Die Fäuste des SS-mannes strahlen die stärkere Beweiskraft aus als philosophische Thesen. Ari geht mit – und weist sich als Ari aus. Er wird entlassen; große Enttäuschung bei der SS.“



Wechsel nach München

Die Nazis waren der irrigen Annahme aufgesessen, dass sich Josef Felder unmittelbar nach dem 9. März 1933 in die Schweiz geflüchtet hatte. Daher war er nach den Reichstagssitzungen vom 23. März und 17. Mai nicht inhaftiert worden. Vor der Einberufung des neuen Reichstages begab sich Josef Felder aus seinem Versteck in Marktoberdorf nach München, wo er die inzwischen umgezogene Familie unter einer der Isarbrücken traf. Kinder und Ehefrau waren getrennt untergebracht worden und auch Josef Felder wechselte ständig seine Unterkunft.

Im Hinterzimmer des Künstlerhauses „Die Muschel“, dessen Mitarbeiter loyal zur Partei hielten, trafen sich die SPD Spitzen nach dem 9. März. Dort wurden Flugblätter entworfen und weitere Maßnahmen erörtert.

Der "Gipfel der Illusionen"

Wie blauäugig manche Genossen waren, verdeutlicht die Aussage des Landesvorsitzenden der SPD, Erhard Auers, der selbst von den Nazis schwer misshandelt worden war: „In sechs Wochen bist Du wieder auf deinem Redaktionssessel in Augsburg“. Josef Felder war angesichts solcher Naivität fast sprachlos.

Auer hoffte, die Reichswehr werde dem NS-Spuk ein Ende bereiten. Zudem gab es Gerüchte, dass es nach Ausrufung der Monarchie in Bayern zu einem Aufstand gegen die Nazis kommen werde. Einige Genossen hofften auf einen Konflikt zwischen SA und SS. All diese Illusionen erwiesen sich als unbegründet.

Gesetzesgrundlage zur Gleichschaltung

Legislativer Abschluss der Maßnahmen war am 31. März 1933 das "Vorläufige Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich", welches sieben Tage später um das "Zweite Gesetz" erweitert wurde. Auf Länderebene zielten sie auf die politische Ausschaltung aller Minister, Abgeordneten und höheren Staatsbeamten, die nicht der NSDAP angehörten.

Das "Vorläufige Gesetz" erlaubte den Landesregierungen gemäß dem Ermächtigungsgesetz, ohne Zustimmung der Landtage selbst verfassungsändernde Gesetze zu erlassen und die Landesverwaltungen neu zu organisieren. Gleichzeitig bestimmte es mit Ausnahme Preußens die Auflösung der Landtage und eine Neubesetzung nach den Ergebnissen der Reichstagswahl vom 5. März.

Durch das "Zweite Gesetz" wurden in den Ländern Reichskanzler Adolf Hitler persönlich unterstellte Reichsstatthalter, in der Mehrzahl die NSDAP-Gauleiter, eingesetzt, die für die Durchführung der Politik der Reichsregierung sorgen sollten. Sie waren den Landesregierungen übergeordnet und hatten als Aufsichtsorgan diese zu beaufsichtigen. http://www.documentarchiv.de/ns/lndrgleich02.html

Josef Felder wird aus dem Reichsverband der deutschen Presse ausgeschlossen

Im Zuge der Gleichschaltung wurde Josef Felder aus dem Landesverband der bayerischen Presse und aus dem Reichsverband der deutschen Presse ausgeschlossen. (siehe Dokument unten)
Ausgaben der Schwäbischen Volkszeitung Ende 1929 Literatur:

Josef Felder, Warum ich Nein sagte. Erinnerungen an ein langes Leben für die Politik; Reinbek 2002
Filser, Karl/Thieme, Hans (Hrsg.): Hakenkreuz und Zirbelnuß. Augsburg im III. Reich; Augsburg 1983

Bilder entnommen aus: Filser, Karl/Thieme, Hans (Hrsg.): Hakenkreuz und Zirbelnuß. Augsburg im III. Reich; Augsburg 1983Weblinks

LEMO - Deutsches Historisches Museum
http://www.fes.de
http://www.wikipedia.de
http://de.wikipedia.org/wiki/Gleichschaltung
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/laendergleichschaltung/index.html
http://www.documentarchiv.de/ns/lndrgleich02.html
:Zweites Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich. ["Reichsstatthaltergesetz"]Vom 7. April 1933.


Texte von : Christian Heidinger, Christoph Jung