1.4 Der Tag von Potsdam

Um im Reichstag die Zweidrittelmehrheit für das Ermächtigungsgesetz zu erhalten, musste Hitler um die Gunst der bürgerlichen-konservativen Parteien werben. Der neuernannte Propagandaminister Joseph Goebbels inszenierte und instrumentalisierte den „Tag von Potsdam“ zu dieser Zielsetzung.
Am 21. März 1933, genau 62 Jahre nach der ersten Reichstagssitzung im Kaiserreich, wurde der neue Reichstag feierlich eröffnet. Potsdam wurde nach dem Reichstagsbrand bewusst von Goebbels ausgewählt, die Stadt war Traditionsort preußischer Geschichte und damit für viele Menschen Sinnbild eines besseren Deutschlands vergangener Tage.
Der Festakt sollte die Versöhnung von „altem und neuem Deutschland“ symbolisieren, alle waren dazu eingeladen, angefangen von Vertretern aus Wirtschaft und Verwaltung über SA-Führer und Offiziere der Reichswehr bis hin zum Kronprinzen Wilhelm.
Die SPD-Mitglieder nahmen, soweit sie nicht bereits unter „Schutzhaft“ standen, demonstrativ nicht an den Feierlichkeiten teil, die Mitglieder der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) waren ohnehin durch ihre Inhaftierung in den Konzentrationslagern am Erscheinen gehindert.
Der „Tag von Potsdam“ begann mit Gottesdiensten in den evangelischen und katholischen Kirchen, danach verbeugte sich Hitler auf den Stufen der Garnisonskirche tief vor Reichspräsident Hindenburg– dieser bekleidet mit der Uniform eines kaiserlichen Generalfeldmarschalls – und reichte im ehrerbietig die Hand.

Dies stellte für große Teile der Bevölkerung den Traum der Vermählung von „alter Größe und junger Kraft“ dar. Durch diese angebliche Verbeugung einer „jungen, dynamischen Bewegung“ vor der Tradition sahen sich die bürgerlichen Schichten in ihrer Meinung bestätigt, dass von Hitler keine Gefahr ausgehe und Hindenburg immer noch die Macht im Staate kontrolliere.
Im Altarraum der Garnisonskirche hob Hindenburg vor dem leeren Platz des Kaisers grüßend den Marschallstab, bevor er sich zu seinem Platz begab. In der Kirche waren überall Uniformen zu sehen, von denen der Offiziere bis hin zu den Braunhemden der NSDAP-Mitglieder. Das feierliche Programm in der Kirche mit Chorälen, Orgelspiel und Reden Hindenburgs und Hitlers verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Zeremonie erweckte den Anschein der Zähmung des Nationalsozialismus. Die Inszenierung wurde im Rundfunk übertragen, die Sonderausgaben der Zeitungen wurden vielfach verkauft. Damit war es Hitler gelungen, sich und seine Regierung im In- und Ausland als legitime Nachfolger des Reiches Bismarcks darzustellen.

Verfasserin: Carolin Metz
Literatur:
http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/innenpolitik/potsdam
Hans-Ulrich Thamer. Verführung und Gewalt Deutschland 1933-1945. Himberg, Wiener Verlag 1994, S.270ff