Das Wahlergebnis erteilte den Linkssozialisten eine deutliche Abfuhr, die BVP und MSPD gingen als deutlicher Sieger hervor. Die BVP erhielt 66, die MSPD 61 von 180 Abgeordnetenmandaten, die USPD erhielt lediglich 3 Mandate und 2,5%, der Bayerische Bauernbund als zweiter Träger der Novemberrevolution ebenfalls nur 9% der Stimmen.
Auf dem Weg zur konstituierenden Versammlung des neu gewählten Landtages am 21. Februar, wo Eisner zurücktreten und die Macht an einen Koalitionsregierung aus BVP und MSPD übergeben wollte, wurde er von dem jungen antisemitischen Eiferer Anton Graf Arco-Valley in der Prannerstrasse unweit seines Amtssitzes am Promenadeplatz erschossen.
Unter dem Eindruck der Ermordung und weiterer Attentate auf zwei konservative Abgeordnete und den Innenminister Auer vertagte sich der Landtag. Es war dem Literaten und Rätemitglied Ernst Niekisch zu verdanken, dass es zu keinem weiteren Blutbad unter den Abgeordneten kam.
Überall herrschte große Erregung. Im Deutschen Theater fand eine Protestkundgebung der Arbeiter statt. Wie alle Arbeiter bei Kastner und Callwey legte Josef Felder die Arbeit nieder und eilte dorthin. Die von den Kommunisten dominierte Kundgebung machte Stimmung gegen die Sozialdemokratie.
Die Betroffenheit und Anteilnahme über den Tod von Kurt Eisner war in der Bevölkerung sehr groß. Josef Felder war Augenzeuge des Trauerzuges, der sich vom Sendlinger Tor zum Ostfriedhof bewegte:
Die Situation spitzte sich zu, in den meisten bayerischen Städten wurde der Generalstreik ausgerufen. Am 7.April 1919 riefen dem Anarchismus nahestehende Literaten wie Ernst Toller, Gustav Landauer und Erich Mühsam die „Räterepublik Bayern“ aus. Reichswehrminister Gustav Noske ließ rings um München preußische , württembergische und bayerische Truppen aufmarschieren , obwohl die am 17. und 18. März vom bayerischen Landtag gewählte Minderheitsregierung der MSPD unter der Führung von Johannes Hoffmann zunächst ein Eingreifen der Reichstruppen abgelehnt hatte. Noske ließ ohne Wissen der bayerischen Regierung ein „Bayerisches Freikorps für den Grenzschutz Ost“ unter dem Kommando des Oberst Ritter von Epp bilden.
Die Vorstellungen der Literaten aber blieben ohne Wirkung und am 13. April übernahm nach einem gegen die Revolution gerichteten Putschversuch die KPD die Macht in München und proklamierte die zweite, „Kommunistische Republik“, an deren Spitze Eugen Leviné, Ernst Toller und Gustav Landauer standen.
Josef Felder war absolut gegen diese Räterepublik eingestellt: „Was sie taten, verstieß gegen mein Ordnungsgefühl. Etwa wie sie alle Akten aus dem Polizeipräsidium auf die Straße warfen und verbrannten und all diese Geschichten. Ich musste einmal in einem dieser Demonstrationszüge mitmarschieren, zu denen die Mitarbeiter aller Betriebe genötigt wurden. Sobald es ging, verdrückte ich mich in eine Seitengasse. Ich war der Meinung, die Sozialdemokraten hätten entschiedener eingreifen müssen, um diese kommunistische Räterepublik zu verhindern.“
Mitte April begann ein brutaler Bürgerkrieg, eine eilig aufgestellte „Rote Armee“ stand Freikorpstruppen und regulären Truppeneinheiten gegenüber. Auf beiden Seiten kam es zu Geiselerschießungen und brutalen Misshandlungen. Am 2. Mai eroberte die „weiße Armee“ München. Die Mitte März vom Landtag gewählte Regierung Johannes Hoffmann (MSPD), die mittlerweile nach Bamberg geflüchtet war, kehrte zurück.
Josef Felder flüchtete in dem Chaos zu seiner Tante und seinem Onkel „Zwegerl“, einer Schwester seiner leiblichen Mutter in die Falkenstraße in der Au, wo auch sein Bruder Toni aufwuchs. Von dort aus verfolgte er die Ereignisse. Frauen brachten den sich verteidigenden Kommunisten in Eimern etwas zum Essen, ehe ein Panzerzug der „Weißen“ vom Münchener Hauptbahnhof aus vorfuhr und die am Bahndamm liegenden Kommunisten unter Beschuss nahm.
Die weißen Garden durchkämmten Häuserblock um Häuserblock und liquidierten Angehörige der Roten Armee, auf Hinweis von Josef Felders Onkel auch einen jungen Mann, der Handgranaten versteckt hatte. Versehentlich ermordeten die „Weißen“ sogar 21 Mitglieder des katholischen Gesellenvereins, da man sie für „Spartakisten“ gehalten hatte.
Die Bilanz der Gegner der Revolution war furchtbar. Mehr als 600 Tote wurden gezählt, überwiegend Spartakisten, die zumeist ohne standrechtliche Urteile erschossen worden waren. Der bei der Niederschlagung der Räterepublik zum Vorschein gekommene Hass vergiftete noch lange die politischen Verhältnisse in Bayern. Die Rätedemokratie war in den Augen der Sieger diskreditiert, da führende Vertreter Juden gewesen waren, verstärkte nur noch den Antisemitismus der deutschen Gesellschaft. Für die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beginnende Bewegung des Nationalsozialismus bedeutete das nationale Trauma der Revolutionszeit eine wichtige Starthilfe.
Josef Felder blieb nach dem blutigen Ende der Revolution noch bis Anfang Juli
Infolge der Demobilisierungsverordnung, die besagte, dass alle Beschäftigten, die während des Krieges nach München gekommen waren, wieder in die Heimatorte zurückkehren müssten, räumte Josef Felder seine Stellung im Verlag und kehrte nach Mindelheim zurück. Das Zeugnis der Firma Kastner und Callwey attestierte ihm:
„Das Verhalten während der Politischen Unruhen war einwandfrei“. Die Wortwahl „politische Unruhen“, als Bezeichnung für die kurze Phase der Räterepublik war repräsentativ für die Einstellung der damaligen Bevölkerung zum gescheiterten Rätesystem.
Zurück in Mindelheims wurde Felder in der zweitgrößten örtlichen Zeitung „Mindelheimer Neueste Nachrichten“ bis zum Februar 1920 tätig, um dann beim Verlag Reuss und Itta in Konstanz bei der Herstellung des
Bodensee-Jahrbuches mitzuwirken.
1921 kehrte Felder zu den „Mindelheimer Neuesten Nachrichten“
zurück, übernahm dort die Lokal- und Stadtratsberichterstattung bis
Ende 1921. Nach einer mehrmonatigen Wanderschaft durch große Teile
Deutschlands kehrte er zurück und arbeitete bis 1924 im elterlichen
Textilgeschäft als Buchhalter.
Felder war infolge der politischen Ereignisse in München und durch die Beschäftigung mit der Geschichte der SPD zur Überzeugung gekommen, dass ein entschlossener sozialistischer Kurs für die Bevölkerung das Beste wäre.
Doch die politische Haltung der SPD erschien Josef Felder zu dieser Zeit zu zögerlich, weshalb er sich der USPD anschloss und
Als in der USPD in Mindelheim sich eine Mehrheit zugunsten der 21 „Leitsätze über die Bedingungen der Aufnahme in die Kommunistische Internationale“ fand und sich Felder mit seinem vehementen Veto nicht durchsetzen konnte, verließ er konsequenterweise die Reihen der USPD und trat noch am folgenden Tag der MSPD bei.
Seine Tätigkeit förderte zwar seinen Bekanntheitsgrad, löste aber auch heftigen Widerstand seitens der katholischen Kreise in Mindelheim aus. Verschiedentlich wurde meine Aktivität zum Anlass genommen, das Kaufhaus des Vaters zu boykottieren.
Insbesondere die Bauern beschwerten sich wiederholt beim Vater über den jungen Josef Felder, erhielten aber seitens des Vaters eine Abfuhr: “Mein Sohn ist längst volljährig und hat seine eigene politische Überzeugung.“
Von 1921 bis 1924 agierte Josef Felder auch als Korrespondent der „Schwäbischen Volkszeitung“ in Augsburg und erhielt dadurch die Chance, das politische Geschehen zu kommentieren. Zunächst richteten sich seine Kommentare und Aktivitäten gegen die Bayerische Volkspartei, später dann verstärkt gegen die immer stärker werdende NSDAP.
Mittlerweile war Felder zum Ortsvorsitzenden der SPD gewählt worden. Als solcher warnte er vor einer Verstärkung des Nationalismus durch die Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Streitkräfte 1923. Als Folge seiner kritischen Haltung erhielt Felder massive Drohbriefe seitens des Nazi-Ortsverbandes Bad Wörishofen. Während des Hitlerputsches von 1923 musste seine Wohnung in Mindelheim sogar von bewaffneten Parteifreunden gesichert und bewacht werden.
Tex von: Tobias Eder
Literatur:
Bernhard Grau, Kurt Eisner : 1867-1919. Eine Biografie . München 2001.
Oskar Maria Graf, Wir sind Gefangene . München 2002
Hans Beyer, Die Revolution in Bayern 1918/19 . 1988
Deutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dokumentation (Hrsg.), Abgeordnete des deutschen Bundestages. Aufzeichnungen und Erinnerungen, Band 1, S. 15-79:
Josef Felder; Mein Weg: Buchdrucker - Journalist - SPD-Politiker; Bonn 1982 ;
Josef Felder, Warum ich Nein sagte. Erinnerungen an ein langes Leben für die Politik; Reinbek 2002