1.2 Einflussnahme der US-Militärregierung auf die Lizenzpresse

Die Lizenzpresse wurde von der US-Militärregierung als wichtiges Instrument zur Demokratisierung der deutschen Gesellschaft angesehen. Dabei lag ihr besonders an der Entwicklung eines professionellen und verantwortungsbewussten Journalismus innerhalb der Lizenzpresse. Dennoch beschränkte sie ihre Einflussnahme auf ein Minimum, um die Akzeptanz der lizenzierten Zeitungen in der Bevölkerung nicht durch zu große Einschränkung der Pressefreiheit zu gefährden.
Von besonderer Wichtigkeit für die Glaubwürdigkeit der Presse war hierbei, dass die Amerikaner auf jegliche Vorzensur der Lizenzzeitungen verzichteten. Stattdessen nahmen sie bis Sommer 1946 durch die Monopolstellung der unter amerikanischer Leitung stehenden Deutschen Allgemeinen Nachrichten-Agentur (DANA) nur indirekt Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Lizenzzeitungen. Des Weiteren fand durch Pressetagungen, Beratung der Lizenzträger durch amerikanische Presseoffiziere und Rundbriefe zur Informationsgebung und Erklärung der amerikanischen Sichtweise auch konkrete inhaltliche Einflussnahme statt. Diese hielt sich jedoch durch die Beschränkung auf PR-Kampagnen zu einigen wenigen Themen in engen Grenzen.

Daneben unterlag die Pressefreiheit einigen inhaltlichen Einschränkungen, die vor allem der Entnazifizierung und der politischen Stabilität im besetzten Deutschland dienen sollten. Die Militärregierung verbot hauptsächlich die Propagierung antidemokratischer oder militaristischer Ideen, vor allem von nationalsozialistischem und verwandtem Gedankengut. Außerdem durfte die Presse keine Artikel abdrucken, die zur Gefährdung der militärischen Sicherheit, Uneinigkeit zwischen den Besatzungsmächten oder den Vereinten Nationen hätten führen können. Böswillige Kritik an Maßnahmen und einzelnen Beamten der amerikanischen Militärregierung und auch der anderen Besatzungsmächte war ebenfalls verboten.
Die Kontrolle der Einhaltung dieser Einschränkungen wurde durch das im Herbst 1945 geschaffene zentrale „Scrutiny Board“ mit Unterstützung der auf Landesebene tätigen „Scrutiny Officers“ garantiert. Das „Scrutiny Board“ hielt nach genauem Studium der Lizenzzeitungen Kritikpunkte fest und erstellte detaillierte Berichte. Wesentlich häufiger als inhaltliche Beanstandungen, die sich zumeist auf Verstöße gegen das bis Oktober 1947 geltende Verbot von Kritik an der Sowjetunion bezogen, wurde die mangelnde Einhaltung der professionellen journalistischen Form registriert.
Die Kritik blieb jedoch fast immer ohne Folgen oder führte nur zur Verschickung eines ermahnenden Briefes. Maßnahmen wie die Absetzung eines Lizenzträgers wurden hingegen nur in den seltensten Fällen ergriffen. Insgesamt diente die Arbeit mehr der internen Information und der Beratung der amerikanischen Presseoffiziere als der nachträglichen Zensur.
Da die amerikanische Einflussnahme fast ausschließlich in Form von Unterstützung der Lizenzträger ausgeübt wurde, konnten sich diese relativ unabhängig von der Besatzungsmacht fühlen und waren meist bereit, die Orientierungshilfen anzunehmen. Die weitgehende Pressefreiheit führte zur Etablierung eines Vertrauensverhältnisses des Großteils der Bevölkerung zur Lizenzpresse sogar über das Ende der Lizenzpflicht hinaus.

Verfasser: Constantin Pröll und Anja Ruisinger
Literatur:
Norbert Frei. Amerikanische Lizenzpolitik und deutsche Pressetradition. München 1986