2.4 Vorbehalte der Bevölkerung gegen den Südost-Kurier
Der Südost-Kurier hatte während der gesamten
Erscheinungszeit mit Bedenken der Bevölkerung und vieler örtlicher CSU-Politiker
gegen den Sozialdemokraten
Josef Felder als
Lizenzträger zu kämpfen. Da dieser nicht im südostoberbayerischen
Verbreitungsgebiet des Südost-Kuriers
aufgewachsen war und zudem als überzeugter Sozialdemokrat bekannt war,
begegnete ihm die einheimische – größtenteils konservative – Bevölkerung
zurückhaltend oder sogar ablehnend. Hinzu kam noch, dass sich die örtlichen CSU-Politiker
durch das anfängliche Fehlen eines zweiten, konservativen Lizenzträgers
benachteiligt fühlten.
Um dem Vorwurf mangelnder politischer
Neutralität von Anfang an entgegen zu treten, hob Josef Felder bereits in
der Erstausgabe des Südost-Kuriers vom 10. Mai 1946 in einem langen Leitartikel
die parteipolitische Unabhängigkeit der Zeitung hervor. Indem er jedoch bei der
CSU
ein „Ringen um völlige Demokratisierung“ feststellte, der SPD hingegen „die
Sicherung absoluter demokratischer Grundhaltung“ (Frei, S. 57) bescheinigte,
trug er erheblich zur Verstärkung der Bedenken gegen ihn als Lizenzträger bei.
Obwohl sich Josef Felder um Objektivität bei der
Nachrichtenberichterstattung bemühte und im September 1946 mit Heinrich Haug
einen konservativen Lizenzträger zur Seite gestellt bekam, blieben die
Vorbehalte der CSU-Politiker
und teilweise auch der Bevölkerung gegen die Lizenzzeitung bestehen.
Dies lag vor allem darin begründet, dass Felder nicht nur wesentlich häufiger
als sein Mitlizenzträger Leitartikel verfasste, sondern sich zudem auch mit
viel größerer Deutlichkeit für sozialdemokratische Belange aussprach als Heinrich
Haug für die Anliegen der CSU.
Den wiederholten Vorwürfen, die Wünsche der
Union bei der inhaltlichen Gestaltung des Südost-Kuriers nicht ausreichend zu
berücksichtigen, begegnete Josef
Felder mit Empörung und wohl auch Enttäuschung. Diesen Gefühlen verlieh er
oftmals durch Verteidigung und gleichzeitigem Gegenangriff in Form von
Leitartikeln oder längeren Aufsätzen im Südost-Kurier Ausdruck. So schrieb er
in einem Leitartikel unter dem Titel „Was geht hier vor?“ vom 5.6.1946, dass
die CSU-Traunstein die von den
Amerikanern geforderte „völlige Unabhängigkeit einer Zeitung“ verneine, der
Südost-Kurier hingegen – „geleitet von einem Demokraten und Sozialisten“ – weder ein „SPD-Blatt“
sei, noch ein „Organ der CSU“
werde (Frei, S. 62f).
Schließlich wurde die kritische Haltung der
Einheimischen auch durch die Forderung Josef Felder nach einer „geistige[n]
General-Desinfektion“ (Frei, S. 57) der südöstlichen Gebiete Bayerns verstärkt.
Auch konnte sich die Bevölkerung mit dem Konzept des Südost-Kuriers – Stärkung
des Demokratiebewusstseins durch ausführliche politische Information und
Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus
– nicht identifizieren, sie war mehr an Heimatpflege und weniger an politischer
und historischer Aufklärung interessiert.
Daher verlor der Südost-Kurier nach der
Erteilung der Generallizenz
und dem Start weiterer Zeitungen in seinem Verbreitungsgebiet im Herbst 1949
etwa die Hälfte seiner Leser. Die Gesamtauflage sank von einer Startauflage von
54000 Exemplaren bis 1950 auf 22000 Stück ab.
Verfasser: Constantin Pröll und Anja Ruisinger
Literatur:
Norbert Frei. Amerikanische Lizenzpolitik und deutsche Pressetradition. München, 1986