4. Der Kapp-Lüttwitz-Putsch

Der Kapp-Lüttwitz-Putsch war das bedrohlichste innenpolitische Ereignis der Weimarer Republik im Jahre 1920. Er brachte das Deutsche Reich an den Rand eines Bürgerkrieges und zwang die Reichsregierung zur Flucht aus Berlin. In seinem Verlauf wurden mindestens 200 Menschen durch die Putschisten standrechtlich erschossen.

Der Putsch richtete sich gegen die von den Parteien SPD, Zentrum und DDP getragene Regierung des Reichskanzlers Gustav Bauer (SPD), welche die Annahme des Versailler Vertrages durchgesetzt hatte.

Zwar hatte die Regierung versucht, die Erfüllung der einzelnen Bestimmungen des Versailler Vertrages in der Durchführung abzuschwächen, was aber nur in einzelnen Fällen gelang. Am 10. Januar 1920 trat der Vertrag in Kraft. Das hieß: Neuorganisation und Umbau der Reichswehr auf die Stärke von 100.000 Mann; Auflösung der Freiwilligen- und Wehrverbände; Entwaffnung der Bevölkerung; Auslieferung der Kriegsverbrecher; Beginn der Reparationsleistungen. Bei Zuwiderhandlungen drohte die Besetzung des Reiches.

Große Teile des Offizierskorps der Reichswehr und die Angehörigen der paramilitärischen und rechtsorientierten Verbände wollten dies nicht hinnehmen. Diese Haltung fand auch in weiten Teilen der Bevölkerung Unterstützung. Zudem waren die Leute unzufrieden mit der politischen Entwicklung und Inflation. Daneben schien der soeben beendigte Prozess gegen Matthias Erzberger zu bestätigen, dass er seine Steuererklärung manipuliert habe, worauf er zurücktrat. Matthias Erzberger hatte am 11. November den Waffenstillstand in Compiegne unterzeichnet und galt als Inkarnation der „Novemberverbrecher“ und „Dolchstoßtäter“.

In dem Kommandierenden General des Reichswehr- gruppenkommandos I in Berlin, Freiherr Walther von Lüttwitz , fand sich ein hoher Offizier bereit, die militärische Führung zu übernehmen. Gleichzeitig zeigte sich der Reichswehrminister Gustav Noske – und mit ihm Reichspräsident und -regierung – von den Putschvorbereitungen unberührt. Politische und allgemeine Polizei spielten Putschgerüchte herunter.


Die Reichsregierung selbst bemühte sich, den Abbau der bewaffneten Kräfte hinauszuzögern, denn sie sah sich auf die Truppen angewiesen, um der heftigen sozialen Unruhen im Reich Herr zu werden. So endeten etwa im Januar 1920 vor dem Reichstag Auseinandersetzungen um das Betriebsrätegesetz gewaltsam. Zudem war die Frage der Grenzen des Reiches im Osten noch nicht geklärt; polnische Nationalisten versuchten hier im Vorfeld anstehender Referenden Tatsachen zu schaffen.

Chronologie

Hintergrund

Gründe für den Putsch sind die Armee als Staat im Staate, ihre negative Einstellung gegenüber der jungen Republik sowie die Frustration der nun in Freikorps organisierten ehemaligen Soldaten. Außerdem drohte gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages die Entwaffnung und Entlassung aus den Verbänden. Die Verringerung der Heeresstärke auf 100.000 Soldaten bedeutete eine Verringerung um etwa 400.000 Soldaten.

Weiterhin kämpften insbesondere die so genannten Baltikum-Freikorps (aus denen sich die Marinebrigade Ehrhardt zu einem wesentlichen Anteil zusammensetzte) auch nach dem Krieg unter Duldung der Alliierten gegen die vorrückenden bolschewistischen Truppen. Nach der Eroberung und Befreiung Rigas im Mai 1919, galt der Auftrag als erfolgreich erfüllt. Der folgende Abzugsbefehl wurde seitens der Freikorps ignoriert. Erst als die deutschen Behörden den Nachschub unterbrachen, gaben die Freikorps auf, jedoch mit dem Gefühl, von der eigenen Regierung verraten worden zu sein. Diese Enttäuschung trifft sich mit der 1919 gegründeten Nationalen Vereinigung, einer Nachfolgeorganisation der Deutschen Vaterlandspartei aus dem Ersten Weltkrieg.

Folgen

Im Verlauf des Putsches kamen etwa 2.000 Zivilisten, vor allem Arbeiter, ums Leben. Etwa genauso viele wie im Kampf wurden standrechtlich hingerichtet.

Weil die Regierung die Wehrverbände wie die Brigade Ehrhardt nach der Flucht Wolfgang Kapps gegen die weiter streikenden Arbeiter zu Hilfe rief, konnten sie noch eine Zeit lang weiter bestehen. Die ebenfalls eingesetzte, schwer bewaffnete Sicherheitspolizei (kurz: Sipo) setzte Bomben aus Flugzeugen und schwere Maschinengewehre zur "Aufstandsbekämpfung" ein. Der Befehlsverweigerer Hans von Seeckt wurde befördert.

Aus den Reichstagswahlen kurz darauf gingen die extremen Parteien deutlich gestärkt hervor, bereits nach eineinhalb Jahren hatten die demokratischen Parteien über 30% an Stimmen verloren, von nun an konnte man von einer „Republik ohne Republikaner“ sprechen. Die SPD hatte im März 1920 über 16% an Stimmen an die USPD verloren, wohl deshalb, weil sie in der Folge des Kapp-Lüttwitz-Putsches beim Streik im Ruhrgebiet gegen streikende Arbeiter rücksichtslos vorgegangen war, während die Kapp-Putschisten allesamt milde behandelt wurden und glimpflich davonkamen.

Literatur:
Manfred Treml: Oldenbourg Geschichte für Gymnasien 12, M?nchen 1994
Josef Felder: Warum ich Nein sagte, Reinbek 2002
Josef Felder: Abgeordnete des Deutschen Bundestages - Aufzeichnungen und Erinnerungen - Band 1; Boppard 1982 Seite 9 - 79
Links:
http://www.gonschior.de/
http://de.wikipedia.org/wiki/Kapp-Putsch
http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/gewalt/kapp/index.html
http://www.bpb.de/themen/YJWUL0,5,0,Kampf_um_die_Republik_1919_1923.html
http://www.fes.de Verfasser: Christian Heidinger, Christoph Jung