8. Josef Felder wird Augsburger Stadtrat

1929 wurde Josef Felder auch Mitglied des Augsburger Stadtrates. In den kommunalen Ausschüssen für Kunst und Wissenschaft sowie für Leibesübung und Körperpflege setzte er sich mit Nachdruck für die Subventionierung des finanziell gefährdeten Augsburger Stadttheaters und die Schaffung besserer Sport- und Badeangelegenheiten für die Bevölkerung ein.

Im Juli 1927 organisierte er mittels Aufrufen in der Schwäbischen Volkszeitung eine Demonstration von 8000 Augsburgern am Wertachkanal, bei der er auch als Redner auftrat. Dadurch erreichte er zusammen mit seinen SPD-Kollegen im Stadtrat gegen die BVP, dass der Bau eines Familienbades beschlossen wurde. Im Stadtrat polemisierte er auch gelegentlich gegen seinen Onkel, der in den Reihen der Bayrischen Volkspartei saß.

Die Augsburger Stadtratsfraktion



Die Stadtratsfraktion der SPD unter Führung des Metallarbeiterfunktionärs Wernthaler und die SPD unter dem Landtagsabgeordneten Clemens Högg sorgten laufend für kommunale und sonstige politische Initiativen. Der Besuch der Versammlungen war ausgezeichnet und die Informationspolitik durch die Mandatsträger im Stadtrat, Landtag und Reichstag umfassend. Die Augsburger SPD blieb frei von Flügelkämpfen wie sie gelegentlich in München sichtbar wurden. Sie war auch zeitweise viel progressiver als die Münchner SPD. Josef Felder zählte sich persönlich zum progressiven Flügel der Partei, was mehrfach beim Landesvorsitzenden und einigen Mitgliedern des Bezirksvorstands Oberbayern-Schwaben Unbehagen auslöste. Dies zeigte sich besonders im Wahlkampf 1928, wo er viel Gegenwind aus der eigenen Partei einstecken musste.

Die Panzerkreuzeraffäre



Den Wahlkampf 1928 hatte die SPD mit Josef Felder in Schwaben mit einer sehr wirksamen Parole geführt: „Panzerkreuzer oder Kinderspeisung“. Im Haushaltsplan der abgetretenen Regierung Wilhelm Marx waren mehrere Millionen, die der Schulkinderspeisung dienten, gestrichen worden. Stattdessen hatte die Regierung neun Millionen Mark als erste Rate für den Bau eines Panzerkreuzers verplant. Dagegen richtete sich der heftige Protest der SPD, was auf breite Zustimmung bei den Wählern traf. Die Wahl fiel für die SPD sehr gut aus und brachte den SPD-Politiker Hermann Müller an die Regierung.

Als Hermann Müller aber dann das Panzerkreuzerprojekt in seinem Etat beließ, entfachte das große Empörung in verschiedenen Parteibezirken und Ortsvereinen, besonders in Augsburg und Schwaben, wo Josef Felder tätig war. Der Grund dafür lag darin, dass Augsburg eine Stadt mit vielen Arbeitern war, die für die Kinderspeisung und gegen den Panzerkreuzer eintraten. Deshalb wurde, mit Zustimmung der schwäbischen Landtagsabgeordneten, eine Massenkundgebung in Augsburg einberufen, auf welcher der Reichstagsabgeordnete Georg Simon die Ablehnung der Ratenzuweisung für das Kriegsschiff forderte. Dies stand im Gegensatz zu der Haltung des bayrischen Landesvorstands unter Erhard Auer und glich, laut Josef Felder, einer Art Basis-Revolte. Die Eintracht der SPD im Wahlkreis Oberbayern-Schwaben war daraufhin für einige Zeit gestört.

Ablehnung des Panzerkreuzer in Augburg

Erhard Auer schickte daraufhin den Münchner Abgeordneten Hans Unterleitner zu Versammlungen nach Schwaben, um für den Panzerkreuzer Verständnis in der Bevölkerung und in der SPD zu wecken. Josef Felder veröffentlichte in der Schwäbischen Volkszeitung, wo er als Chefredakteur tätig war, die lokalen Berichte über Unterleitners Referate in Schwaben ungekürzt, fügte aber hinzu, dass man in Augsburg und Schwaben ganz anders über diese Frage denke. Dies führte zu einer, wie es Josef Felder beschrieb, stürmischen Sitzung im Bezirksvorstand Oberbayern-Schwaben und zu der Äußerung Erhard Auers über Josef Felder: „Wenn dieser junge Mann in Augburg sich weiter so verhält, dann muss er weg!“

Diskussion auf dem SPD-Parteitag in Magdeburg

Beim SPD-Parteitag in Magdeburg, bei dem es um die Richtlinien für ein Wehrprogramm der SPD ging, war Josef Felder Mitglied der neunköpfigen Delegation des 24. Wahlkreises Oberbayern-Schwaben. Sie wurde angeführt von Erhard Auer, dem Landessekretär Georg Keil und dem Münchner Parteichef Thomas Wimmer.

Bei der Auseinandersetzung über die Regierungspolitik Hermann Müllers bekam der Delegierte Dr. Eckstein aus Breslau starken Beifall mit folgenden Sätzen: „Unter Führung des Parteivorsitzenden Müller haben wir 1928 das Wahlversprechen gegeben, den Panzerkreuzer nicht zu bauen. Unter dem Kanzler Müller wird er gebaut. Unter dem Parteivorsitzenden Müller haben wir das Wahlversprechen der Kinderspeisung gegeben, unter dem Kanzler Müller werden die Mittel dazu gestrichen. Unter der Führung des Parteivorsitzenden Müller haben wir das Wahlversprechen gegeben, den Reichswehr-Etat auf 500 Millionen zu senken, unter dem Kanzler Müller wird dieses Versprechen ebenso wie das der Demokratisierung der Reichswehr nicht eingelöst.“

Dr. Eckstein wurde erwiderte, dass es sich um eine Regierungskoalition der SPD mit bürgerlichen Parteien handle und die SPD nicht in der Mehrheit sei. Diese Position fand ebenfalls großen Anklang bei den Anwesenden. Die SPD war gespalten.

Rede Dr. Kurt Schumachers zum Panzerkreuzer

Im Verlauf der Debatte ergriff auch der Stuttgarter Parteiredakteur Dr. Kurt Schumacher das Wort. Er sagte wörtlich: „Der Vater des Wehrprogramms ist der Panzerkreuzer A. Die Erleichterung für kommende Entscheidungen, die manche von diesen Richtlinien erwarten, werden nicht eintreten. Ich glaube, dass die Grundsätze des Parteiprogramms zur praktischen Politik genügen, und meine, dass die Fahne, unter der die Arbeiter der sozialdemokratischen Politik folgen werden, die Fahne der Kriegsverhinderung mit allen Mitteln ist.“ Für diese Rede erhielt auch Dr. Kurt Schumacher großen Beifall.

Die Haltung Carl Severings und Julius Lebers



Carl Severing vertrat vehement die Ansicht, dass die Partei die Zusammenarbeit mit der Reichswehr benötige, wenn sie reale Macht erlangen und auch behalten wolle. Zudem erwähnte er, dass die SPD nur in Zusammenarbeit mit dem bürgerlichen Reichswehrminister Wilhelm Groener die „Republikanisierung der Reichswehr“ beginnen könne. Julius Leber nannte die Spannung zwischen Reichswehr und Arbeiterschaft einen gewaltigen Passivposten der Republik, welcher auch auf das Konto der SPD gehe. Emphatisch rief Julius Leber aus: „Denken Sie darüber nach und ziehen Sie daraus die Konsequenzen. Ist an der Spannung die Reichswehr alleine schuld? Derjenige, der diese Frage mit einem glatten Ja beantwortet, muss ein ziemlich hartes Gewissen haben.“

Entscheidung und Haltung Josef Felders

Josef Felder war außerordentlich beeindruckt von dieser Debatte, doch neigte er nach Abwägung aller Argumente schließlich der Haltung Dr. Kurt Schumachers zu. Dies mündete später in eine politische Freundschaft. Die Wehrrichtlinien der SPD wurden letztendlich mit 242 zu 147 Stimmen angenommen, gegen den Willen Josef Felders. Von den 9 Delegierten seiner Delegation stimmten 6, darunter Erhard Auer und Thomas Wimmer mit Ja und 3 mit Nein, darunter Josef Felder. Die Nein-Stimmen erregten das Missfallen Erhard Auers, der in seiner autoritären Art eine widersprüchliche Haltung nur schwer ertragen konnte.

Konflikte mit der KPD

Nicht nur das Verhältnis zur NSDAP war feindlich, auch mit der KPD gab es wenig Berührungspunkte. Aus dem folgenden Brief an die Stadt Augsburg wird die Kontroverse Josef Felders mit Hans Beimler, späterer KZ-Insasse, der aus dem KZ Dachau fliehen konnte, deutlich. Die Atmosphäre im Augsburger Stadtrat zwischen der SPD und der KPD war vergiftet. Erst nach der Machtergreifung Hitlers plädierte Josef Felder für eine Kooperation der SPD mit der KPD gegen die Nationalsozialisten, eine geradezu revolutionäre Perspektive für die SPD. Mit dieser Haltung konnte sich aber Josef Felder in der SPD nicht durchsetzen.

Literatur:
Josef Felder, Warum ich Nein sagte, Reinbek 2002
Josef Felder, Mein Weg: Buchdrucker - Journalist - SPD-Politiker, in: Deutscher Bundestag, Abteilung Wissenschaftliche Dokumentation, Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Aufzeichnungen und Erinnerungen; Boppard 1982, S. 15-79