2. Rechtsextremistisches Wahlverhalten

Rechtsextremismus ist in der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung ein ernst zu nehmendes Problem. Schon kurz nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus entstanden neue rechtsextremistische Parteien und konnten seither immer wieder Wahlerfolge erzielen – zuletzt bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen.

Anfang der fünfziger Jahre konnten mehrere rechtsextremistische Parteien, vor allem die Sozialistische Reichspartei (SRP), gute Wahlergebnisse erreichen. Sie waren hauptsächlich in protestantisch geprägten Regionen und in Gebieten mit einem hohen Anteil an Vertriebenen oder von Entnazifizierungsmaßnahmen Betroffenen sowie in von einer vergleichsweise schlechten wirtschaftlichen Lage und hoher Arbeitslosigkeit gekennzeichneten Gegenden erfolgreich. Der Deutschen Reichspartei (DRP) gelang beispielsweise 1959 in Rheinland-Pfalz aufgrund regionaler wirtschaftlicher Probleme im Weinbau der Einzug in den Landtag, obwohl die Wählerzustimmung zu rechtsextremistischen Parteien insgesamt mit dem Verbot der SRP 1952 und dem schnellen wirtschaftlichen Aufschwung stark abgenommen hatte.

Trotz Protesten gegen die NPD konnte sie nach ihrer Gründung 1964 während der wirtschaftlichen Rezession 1966/67 bald Wahlerfolge verzeichnen. In diesem Zeitraum zog sie in sechs Landtage ein. Besonders stark vertreten waren in ihrer größtenteils männlichen Wählerschaft die 45- bis 60-jährigen, Konfessionslose und nicht in Gewerkschaften organisierte Arbeiter. Zudem kennzeichnete ihre Wähler die pessimistische Einschätzung der eigenen wirtschaftlichen Situation einerseits und Sympathien für den Nationalsozialismus andererseits.

Schließlich profitierte die NPD aber auch von der Unzufriedenheit mit der großen Koalition. Somit erzielte sie trotz Überwindung der wirtschaftlichen Rezession bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 1968 ihr bislang bestes Ergebnis und verpasste 1969 mit 4,3 Prozent der Wählerstimmen verhältnismäßig knapp den Einzug in den Bundestag. Daraufhin sank die Wählerzustimmung jedoch und blieb über einen längeren Zeitraum auf relativ niedrigem Niveau.

In der zweiten Hälfte der achtziger und in den neunziger Jahren stieg die Bereitschaft rechtsextremistische Parteien zu wählen wieder an, schwankte allerdings stark. Die Republikaner fanden vor allem in Baden-Württemberg, wo sie zweimal in Folge in den Landtag einzogen, und in geringerem Ausmaß in Bayern Anklang. Die DVU hingegen war hauptsächlich in Norddeutschland erfolgreich. Besonders große Wahlerfolge für die rechtsextremistischen Parteien waren das bundesweit gute Abschneiden der Republikaner bei den Europawahlen 1989 und die Landtagswahl 1998 in Sachsen-Anhalt, bei der die DVU mit 12,9 Prozent der Zweitstimmen das bislang beste Ergebnis einer rechtsextremistischen Partei bei Landtagswahlen in der Bundesrepublik erreichte.

Die soziale Struktur der Wählerschaft der Republikaner und der DVU in den achtziger und neunziger Jahren war regional sehr unterschiedlich. Ihre weiterhin vorwiegend männlichen Wähler waren jedoch meist durch ihre rechtsextremistische Grundeinstellung, Unzufriedenheit mit dem politischen System der Bundesrepublik und negative Beurteilung der eigenen wirtschaftlichen Lage und der gesamtökonomischen Situation gekennzeichnet. Besonders häufig wurden rechtsextremistischen Parteien hierbei von Arbeitslosen und Arbeitern gewählt. Außerdem waren sie im Gegensatz zu den sechziger Jahren bei Jungwählern überdurchschnittlich erfolgreich. Somit war es ihnen gelungen, in ihrer Wählerschaft soziale Schranken bezüglich des Alters, aber auch der Religionszugehörigkeit und der Berufsgruppe, abzubauen.

Nach vorübergehendem leichten Absinken der Wählerzustimmung zu rechtsextremistischen Parteien beschlossen DVU und NPD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen 2004 zu kooperieren, anstatt in Konkurrenz zueinander anzutreten. Demnach kandidierte in Brandenburg von diesen beiden Parteien nur die DVU, in Sachsen nur die NPD. Daraufhin konnte die DVU nach 1999 zum zweiten Mal in Brandenburg in den Landtag einziehen, die NPD in Sachsen erstmals mit 9,2 Prozent der Zweitstimmen.

Neben der strategisch sinnvollen Absprache der beiden Parteien wurden als Gründe für die erneuten Wahlerfolge rechtsextremistischer Parteien hauptsächlich die hohe Arbeitslosigkeit und Protest gegen die Reformpolitik der Bundesregierung, insbesondere gegen die Arbeitsmarktreform Hartz IV, gesehen. So gaben die rechtsextremistisch Wählenden meist an, sehr unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung zu sein. Zudem war die Bereitschaft, rechtsextremistische Parteien zu wählen, bei Arbeitern und Arbeitslosen wie schon in den neunziger Jahren besonders hoch. Ebenfalls unverändert blieb das überdurchschnittlich gute Abschneiden der rechtsextremistischen Parteien bei Jungwählern und Wählern mit geringer Schulbildung.

Nach der erfolgreichen Kooperation bei den Landtagswahlen 2004 in Brandenburg und Sachsen einigten sich DVU und NPD darauf, auch weiterhin bei Wahlen nicht gegeneinander anzutreten. So verzichtete die DVU bei der Bundestagswahl 2005 zu Gunsten der NPD auf die Kandidatur. Daraufhin konnte die NPD das Ergebnis mit 1,6 Prozent der Zweitstimmen im Vergleich zur Bundestagswahl 2002 deutlich steigern.


Literatur:

Armin Pfahl-Traughber: Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. München, 1999

Kurt Hirsch: Rechts von der Union: Personen, Organisationen, Parteien seit 1945; ein Lexikon. München, 1989

Weblinks:

http://www.fes-online-akademie.de/index.php?&scr=doc&d_id=1

http://www.bpb.de/publikationen/8GIOFA,,0,Rechtsextremismus.html

http://lexikon.idgr.de/s/s_o/sozialistische-reichspartei/sozialistische-reichspartei.php

http://lexikon.idgr.de/n/n_p/npd/npd.php

http://lexikon.idgr.de/d/d_e/deutsche-volksunion/dvu.php

http://lexikon.idgr.de/r/r_e/republikaner/republikaner .php

http://www.wahlrecht.de/ergebnisse/index.htm

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/6/0,1872,2194630,00.html

http://www.idgr.de/news/2004/n040922-a.php
von Anja Ruisinger